Michael Grindmayer (MG): Odilon, Wir arbeiten mit euch seit vielen Jahren erfolgreich zusammen. Hunderte Erklärfilme habt ihr für uns übersetzt und vertont. Zeit, Dich und Dein Unternehmen RARA AVIS ein wenig vorzustellen! Deine Firma RARA AVIS bietet „Language Management for the media“. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass der Slogan es gut trifft.
Wie ist es zu Deinem Interesse für Sprachen und Medien gekommen?
Odilon Marx (OM): Hi Michael, erst einmal vielen Dank für unsere langjährige und erfolgreiche Kooperation. Die Zusammenarbeit mit EXPLANIDEO macht immer sehr viel Spaß.
Grundsätzlich zu meinem Interesse für Sprachen: Worte haben mich schon immer fasziniert und ich habe schon als Kind eine große Affinität für meine Muttersprache Französisch entwickelt. Später kamen dann weitere Sprachen dazu. Das spiegelt sich auch in meinem Privatleben wieder: als Franzose in Deutschland habe ich schon mal jeden Tag mit zwei Sprachen zu tun. Hinzukommt, dass meine Frau aus Finnland stammt. Wir sind sozusagen eine klassische europäische Familie mit mehrsprachigem Background.
Wie ich zu den Medien kam, ist in der Tat eine ganz lustige Geschichte. Am Ende des vorigen Millenniums bekam ich eines Tages einen Anruf vom französischen Konsulat in Stuttgart – ich bin Franzose und war dort als Übersetzer gelistet. Es ging um eine Stelle bei Mercedes, sie suchten eine*n Muttersprachler*in für eine Fernsehproduktion. Mercedes und Fernsehen, das klang natürlich superspannend! Ich habe mich sofort beworben und habe glücklicherweise den Job bekommen. Es war seinerzeit ein wirklich sehr spannendes und innovatives Projekt: Business TV für den neu gegründeten DaimlerChrysler-Konzern, um das Gemeinschaftsgefühl zwischen den fast 350.000 Mitarbeitenden auf allen Kontinenten der Welt zu stärken. Wir hatten jeden Wochentag eine Fernsehsendung mit Nachrichten und Beiträgen, das Ganze mit Voice Over und Untertiteln in sechs Sprachen. So bin ich zur Medienbranche gekommen. Relativ bald wurde mir die Leitung der Fremdsprachen-Producer-Abteilung anvertraut, die ich dann bis zum Ende des Projekts nach sieben Jahren innehatte. Wir waren alle Natives aus verschiedenen europäischen Ländern, Brasilien, der Türkei, usw., das war echt toll. Mit der Zeit haben wir zusätzliche Projekte wie Imagefilme oder Schulungsfernsehen produziert, so kam auch eine größere Sprachenvielfalt rein.
MG: Und wie hast Du daraus ein Language Management-Business gemacht?
OM: Im Jahre 2007 habe ich mich selbstständig gemacht und biete seitdem Lokalisierungsdienstleistungen für alle möglichen Medienprojekte an. Im Wesentlichen sind das Dolmetschereinsätze, Übersetzungen, Voice Over und Untertitel .
Manche Sprachen wie Spanisch oder Russisch 20-30% länger als das Deutsche
MG: Ja, zum Beispiel für unsere Erklärvideos! Darunter waren ja auch schon Text- und Voice Over-Produktionen in Thailändisch, Japanisch und Chinesisch. Da waren wir schon froh, dass wir eure Expertise hatten und am Ende einfach das fertige Voice Over kam! Ist das für euch Alltag, auch mit exotischeren Sprachen zu arbeiten?
OM: Im Laufe der Jahre habe ich ein großes und breites Netzwerk von Sprecher*innen aufgebaut und es werden ständig mehr. Im Grunde biete ich Produktionen in allen möglichen Sprachen an. Neben den von dir erwähnten asiatischen Sprachen also nahezu alles von Arabisch bis Zulu. De facto gibt es aber einen Kern von Sprachen, die am häufigsten angefordert werden: die europäischen Sprachen, Chinesisch und Japanisch, Arabisch, brasilianisches Portugiesisch, Russisch und Türkisch. Also im Grunde die Sprachen der größten Wirtschaftsgebiete. Andere Sprachen wie Hindi oder Vietnamesisch kommen in unregelmäßigeren Abständen vor.
MG: Und wie läuft die Kommunikation mit ihnen bei Projekten ab?
OM: In unserem globalen Zeitalter ist die Kommunikation eigentlich gar kein Problem mehr, es findet sich immer eine Sprache. Es geht dann ganz einfach per E-Mail oder telefonisch. Für die Aufnahmen gibt es hervorragende technische Möglichkeiten, live dabei zu sein und Regie zu führen.
MG: Ah, verstehe. Und wie prüft ihr zum Beispiel bei Voice Overs in asiatischen oder arabischen Sprachen, dass alles korrekt gesprochen wurde?
OM: Es gibt natürlich unterschiedliche Settings. Bei größeren Produktionen, bei denen jemand Regie führt und der/die Toningenieur/in die Landessprache spricht, gibt es gleich mehrere Ohrenpaare, die darauf achten. Bei kleineren Projekten ist es an und für sich Sache der Sprecher*innen, darauf zu achten, dass sie oder er alles korrekt gesprochen hat. Dadurch, dass es sich nicht um Live-Produktionen handelt, ist das auch kein Problem. Die Aufnahme wird hinterher noch mal beiderseits durchgehört und überprüft, ob alles passt. Das gehört immer dazu. Das Entscheidende dabei ist, mit guten und erfahrenen Profis – Natives natürlich –, und oft auch nach dem 4-Augen- bzw. Ohren-Prinzip, zusammenzuarbeiten.
MG: Kombinierte Erfahrung und Professionalität sind also wieder einmal der Schlüssel zum Erfolg. Einer der größten Vorteile von RARA AVIS für uns als Erklärvideoproduktion ist, dass wir für Übersetzung und Tonproduktion lediglich einen Anbieter benötigen, also alles professionell aus einer Hand bekommen.
Was sind die Schwierigkeiten dabei?
OM: Das sehen andere Firmen ganz klar auch so. Es liegt ja auch auf der Hand, die Übersetzung gleich mit zu beauftragen. Sprechertexte, um bei Deinem konkreten Beispiel zu bleiben, haben jeweils bestimmte Stilanforderungen und sind im Falle von Voice Over meist auch zeitkritisch. D.h., dass sie nicht länger als das Original sein dürfen und im Idealfall sogar eher kürzer sein sollten. Manche Sprachen wie Spanisch oder Russisch tendieren dazu, 20-30% länger zu sein als das Deutsche oder das noch etwas kürzere Englische. Das stellt manchmal schon eine Herausforderung dar. Umso wichtiger, diese Aufgabe Profis anzuvertrauen, die damit Erfahrung haben.
Oft bleiben nur wenige Tage für die Produktion von Sprachversionen
MG: Wie hat sich der Erfolg von RARA AVIS über die Jahre hin entwickelt und was sind Deine Pläne für die Zukunft?
OM: Da ich bereits aus der Branche kam, war ich bei Unternehmensgründung in der bequemen Lage, mich recht schnell voller Auftragsbücher erfreuen zu können. Das bleibt auch konstant so. Dabei verlagern sich aber zuweilen die Schwerpunkte. Die intensive und mehrjährige Zusammenarbeit mit manchen Unternehmen ebbt ab, wenn diese z. B. Projekte nicht länger verfolgen oder sich Strukturen ändern. Aber es tun sich immer auch neue und interessante Projekte auf, es wird also nie langweilig. Ich kann absolut zufrieden sein und bin gespannt, was die Zukunft noch bereithält.
MG: Wo liegen eure Schwerpunkte, was Projekte und Kunden angeht? Kannst Du z.B. sagen, dass ein Großteil Deiner Kunden euch für ganz bestimmte Medienproduktionen bucht oder ist es auf verschiedene Bereiche verteilt wie Erklärvideo, Imagefilm, TV, Radio etc.?
OM: Medien umfassen heutzutage wirklich unsere komplette Existenz und genauso vielfältig sind auch unsere Projekte und die Kunden. Das reicht von Soloselbständigen, die die Übersetzung eines kurzen Textes für ihre Webseite brauchen, bis zu großen Weltkonzernen, die beinahe täglich Content produzieren. Einen Großteil machen aber Erklärvideos, Image- und Produktfilme aus. Einen anderen großen Bereich bildet die interne Unternehmenskommunikation, also Filme zur Mitarbeitenden-Information oder Mitarbeitenden-Schulung. In der Regel produzieren wir für bestimmte Kunden immer dieselbe Art von Projekten, also in eurem Fall zum Beispiel Erklärvideos, da seid ihr ja die Experten für.
MG: Ja, das stimmt! Was sind generell die größten Herausforderungen in Deiner Branche?
OM: Häufig ist Zeit ein herausfordernder Faktor. Bei der Medienproduktion erfolgt die Sprachadaption ziemlich am Ende des Gesamtprozesses, denn wir bearbeiten das fertige Produkt. Oft bleiben also nur noch wenige Tage für die Sprachversionen.
MG: Ja, das kenne ich nur zu gut. Auch für uns ist die verfügbare Produktionszeit oft eine Herausforderung. Umso besser, wenn man das Voice Over auch mal kurzfristig bekommt!
Kannst Du sagen, welches Projekt das für Dich bisher aufregendste Projekt Deiner Karriere war?
OM: Aufregende und herausfordernde Projekte gab es in all den Jahren natürlich sehr viele. Mir persönlich machen immer die Projekte am meisten Spaß, bei denen eine Vielzahl von Sprachadaptionen gefragt ist. Zum Thema Zeit als Herausforderung fällt mir ein Projekt aus dem Sportbereich als Beispiel ein. Für eine weltweit stattfindende Regatta ging es darum, Zusammenfassungen der Cup-Rennen in verschiedenen Sprachen und jeweils möglichst zeitnah zu produzieren. Zum angenommenen Ende des Events, so eine Regatta geht ja über mehrere Stunden und wird zudem auch vom Wetter beeinflusst, plus die anschließende Zeit für den Schnitt des Videobeitrags, mussten wir also in den Startlöchern stehen. Alle Übersetzer*innen waren auf Stand-by in Erwartung der Texte aus der Redaktion. Die Sprecher*innen warteten wiederum etwas zeitversetzt auf ihren Einsatz. Bedingt durch die entfernten Austragungsorte sah es dann konkret so aus, dass ich hier beispielsweise um 22 Uhr MEZ das japanische Team in Tokio, das extrafrüh den Wecker gestellt hatte, noch um etwas Geduld bitten musste, während der englische Sprecher in New York von seinem Nachmittagsspaziergang noch nicht zurück war. Und das Ganze natürlich am Wochenende, das bringt der Sportbereich mit sich. Nachts und unter Zeitdruck zeitgleich mit Menschen aus allen möglichen Zeitzonen zu arbeiten war schon eine Herausforderung, da hilft jedoch auch der Kick des Live-Betriebs. Mit entsprechender Planung sind auch solche Projekte gut zu bewältigen.
MG: Cool! Angesichts immer besserer Software- und IT-Lösungen auch im kreativen Bereich: Wie siehst Du die Zukunft künstlerischer Leistungen wie Deiner und meiner? Werden wir in 10 Jahren noch gebraucht?
OM: Das ist ein sehr spannendes Thema und die Entwicklung geht wirklich rasant. Auch wenn sich in Bezug auf die Zukunft tatsächlich Fragen stellen, muss man gleichzeitig sehen, dass die technologische Entwicklung immer auch Chancen bietet. Erst die Einführung des Smartphones und die Verbreitung der sozialen Medien haben die regelrechte Explosion von Bewegtbild-Content, von der wir beide in unserem Business profitieren, hervorgebracht. Es ist in der Tat so, dass KI-gestützte Übersetzungssoftware oder eben digital erzeugte Stimmen immer besser werden. Derzeit liegen sie allerdings noch sehr weit unterhalb meiner Ansprüche und es wird mit Sicherheit noch eine ganze Weile so bleiben. Am Ende geht es, glaube ich, darum, welche Ansprüche wir Menschen an die Produkte stellen. Wenn die Ansprüche also sinken, werden wir in zehn Jahren vielleicht tatsächlich weniger gebraucht. Für mich sind Kreativität und Sprachen als Kommunikationsmittel etwas zutiefst Menschliches. Es ist zwar sehr praktisch, einen Text mithilfe von Software korrigieren zu lassen; die technischen Möglichkeiten decken aber (noch) nicht vollumfänglich die ganze Bandbreite qualitativer sprachlicher Dienstleistungen ab und reichen nicht an die redaktionelle Entscheidungsfähigkeit eines Menschen in allen feinen Nuancen heran. Künstliche Intelligenz ist vielleicht imstande, einen Fotorückblick mit den besten Momenten der letzten Ferien zusammenzustellen, einen hochwertigen und künstlerischen Film kann aber nur ein Regisseur erschaffen. Sicherlich bietet der technologische Fortschritt auch Möglichkeiten, die wir uns zunutze machen können und sollten. Aber die Veredelung eines Produkts, gerade wenn es um qualitativ hochwertige und kontextbezogene sprachliche Kommunikation geht, bleibt, so hoffe ich, vorerst uns Menschen vorbehalten.
MG: Da bin ich voll bei Dir. Auch ich bin überzeugt davon, dass gerade die Automatisierung am Ende den Wert echter menschlicher Leistung sogar ansteigen lassen wird.
Odilon, vielen Dank für das Interview und weiterhin Alles Gute!
Das Interview führte Michael Grindmayer.
RARA AVIS von Odion Marx finden Sie unter www.rara-avis.tv
Explanideos Voice Over Demos finden Sie hier: www.explanideo.de/voiceover/
Ich freue mich, von Ihnen zu hören.
Sie haben noch Fragen? Ich berate Sie gerne persönlich. Lassen Sie uns gemeinsam Ihr Anliegen besprechen. Michael Grindmayer • Gründer und Geschäftsführer mg@explanideo.de • +49 (0) 8121 76 05 149